Hallo Patty,
danke für die kritischen Nachfragen.
Zunächst bitte ich um Entschuldigung - mir war nicht bewusst, dass es eine Vereinbarung bezüglich kostenpflichtiger Angebote gibt. Wenn dem so ist: weg damit, klar.
Mir ging es keineswegs darum, jemand etwas zu „verkaufen“. Vielmehr sind wir immer wieder im Gespräch mit Aktivisti, die großes Interesse haben, an unseren Veranstaltungen teilzunehmen, sich das aber schlicht nicht leisten können. Deshalb haben wir die Aktivisti-Stipendien eingerichtet - auch weil wir das als starke Quelle gegenseitiger Inspiration erlebt haben. Einige von uns engagieren sich beispielsweise bei extinction rebellion, und 2019 haben wir gezielt Aktivisti aus verschiedensten Richtungen eingeladen, die dann das Sommercamp mitgestaltet haben.
Zu meiner Person: mein Name ist Lennart, ich lebe seit 2016 im ZEGG. Ich engagiere mich lose bei XR und die Bits&Bäume-Konferenz war für mich eine immens wichtige Inspirationsquelle bei der Frage, wie ich meine Tätigkeit als selbständiger IT-Betreuer mit mehr Sinn füllen kann.
Auf die genannten Artikel gehe ich gerne ein, soweit es mir als „Zugezogener“ eben möglich ist.
Der taz-Artikel ist von 2004 und die Kritik besteht wesentlich aus einem Zeitungsartikel, der nochmals zehn Jahre älter ist. „Patriarchalische, hierarchische und sexistische Strukturen“ werden uns sicher heute noch vorgeworfen, unsere ganze Gesellschaft ist davon geprägt. Mich würde es also eher skeptisch machen, wenn eine Gemeinschaft behaupten würde, diese Strukturen gänzlich überwunden zu haben. Wir setzen uns konstant damit auseinander, und ich kann ich zugeben, dass ich mir manches Mal wünsche, dass das ZEGG auf diesem Weg weiter wäre. Gleichzeitig ist seit den Anfangsjahren enorm viel Entwicklung passiert und es wird dem ZEGG nicht gerecht, auf ewig auf die Gründungsjahre reduziert zu werden. Der Sektenvorwurf beispielsweise ist längst vom Tisch, und der Kontakt zu den christlichen Gemeinden vor Ort ist heute gut - bis hin zu einem Besuch der Pfarrer, in dem sie ihr Bedauern über die „Hetzkampagne“ ihrer Vorgänger zum Ausdruck brachten.
Ansonsten schätze ich die taz sehr und kann gut damit leben, dass sie sich über manches, was hier geschieht, lustig machen.
Der Tagesspiegel-Artikel zeigt einen anderen Punkt, der mich im Kontakt mit Presse und Filmschaffenden schmerzt: wir bekommen immer wieder Anfragen von Menschen, die uns teils über Monate begleiten, und letztlich wird dann doch alles Material verworfen bis auf das, mit dem man uns möglichst plakativ aufs freie Vögeln reduzieren kann.
So auch im Tagesspiegel, wo mich die Behauptung sticht, wir würden uns ungleich mehr mit der „sexuellen Befreiung“ beschäftigen als mit ökologischen Fragen. Auch da kann ich wieder sagen: ich wünschte mir, das ZEGG wäre an manchen Stellen weiter, was ökologisches Bewusstsein angeht - aber das eben gemessen an der enormen Herausforderung durch die Klimakrise. Wir engagieren uns für ökologische Transformation und ich sehe uns da durchaus als respektables Modellprojekt.
Auch dass Menschen, die das ZEGG verlassen, als „Abtrünnige“ verunglimpft werden, finde ich billig. Es leben gut 100 Menschen am Platz, eine gewisse Fluktuation ist normal. Das ZEGG ist eher kein Ort zum gemütlich-machen und alt werden; viele leben eine Zeit lang hier, engagieren sich, lernen, und ziehen dann weiter. Dass dadurch eine reiche, eng vernetzte „alternative“ Kultur im Umland entstanden ist, ist für mich ein Qualitätsmerkmal. Ebenso, dass es - wie im Fall von Cordula - möglich ist, dem Bedürfnis nach Rückzug nachzugehen und trotzdem Teil der Gemeinschaft zu bleiben.
Auch der Absatz über die Jugendlichen ist… schade. In machen Lebensphasen ist es ziemlich normal, alles um sich herum „peinlich“ zu finden - etwa Menschen, die einander umarmen. Dass Menschen nackt auf dem Platz herumlaufen stimmt schlicht nicht - es gibt eine Liegewiese, auf der das akzeptiert ist, auf dem Rest des Geländes nicht. Dass alle Kinder, die bisher im ZEGG aufgewachsen sind, ausgezogen sind und die Welt außerhalb des ZEGG entdecken, finde ich rundweg gesund.
Beim psiram-Text schließlich kann ich empfehlen, sich ein wenig die Versionsgeschichte des Artikels anzuschauen. Viele der Informationen sind zwischenzeitlich überholt, waren nie richtig, bestehen aus raunenden Behauptungen oder versuchen mit aller Gewalt, das ZEGG in negatives Licht zu rücken. Warum etwa „versucht das ZEGG, sich [örtlich bzw. regional] durch verschiedene Stategien der Mitarbeit positiv darzustellen“? Wie wäre es mit „Mitglieder des ZEGG engagieren sich an verschiedensten Stellen in der Region“? Was ist falsch an Engagement in der „undogmatisch geprägten linken Szene“, in „gewaltfreien Zusammenhängen, der Friedensbewegung und in den letzten Jahren auch in globalisierungskritischen Zusammenhängen“? Woraus leitet der*die Autor*in ab, dass eine attac-Mitgliedschaft „offenbar die Akzeptanz erhöhen“ solle? Und so weiter…
Das soll fürs erste reichen. Wie gesagt: wenn du dich weiter am kommerziellen Charakter meines Posts störst - lösche ihn. Ansonsten hoffe ich, ein paar Fragen ausgeräumt zu haben und bin natürlich offen für gezieltere Nachfragen.