Ich habe mir das Expertengutachten des Masterplans Solarcity Berlin reingezogen:
https://www.berlin.de/sen/energie/energie/erneuerbare-energien/masterplan-solarcity/
Ziel des Plans ist es, den Anteil von Solarstrom in Berlin am Gesamtstromverbrauch auf 25% zu steigern. Ende 2018 waren es 0,7%.
Dafür müssen bis 2050 rund 20.0 Mio m² PV-Module mit einer Gesamtleistung von 4.400GWh/a auf Berlins Dächern (ca. 12% der Gesamtdachfläche) installiert werden. Zum Vergleich: 20.0 Mio. m² sind etwa 7-mal das Tempelhofer Feld.
Dazu wurde ein Maßnahmenkatalog erarbeitet. Darin geht es um Marketingaktiväten und Leuchtturmprojekte aber vor allem um Schaffung gesetzlicher Regelungen, die den Betrieb von Solaranlagen auf Dächern attraktiver für Mieter und Eigentümer machen sollen.
Erst einmal vorweg, bevor ich mit Kritik anfange: Ich halte das ganze Projekt für absolut begrüßenswert und betrachte es als zukunftsweisende Maßnahme!
Im Wesentlichen habe ich drei Kritikpunkte:
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Die Bruttostromerzeugung für 2050 wird mit 15.576GWh/a ausgehend von 13.397GWh/a im Jahr 2016 extrapoliert. Das betrifft aber nur die Stromerzeugung, der Gesamtenergieverbrauch des Landes Berlin lag 2016 bei 65.568GWh/a, also fast das Fünffache!
Verbrauch von Mineralöl und Erdgas sind gar nicht berücksichtigt, aber genau diese fossilen Energieträger wollen wir ja loswerden.
Woher also der saubere Strom für E-Mobilität, Industrie 4.0 und 5G kommen soll, bleibt mir bei 15.576GWh/a prognostizierter Verbrauch ein Rätsel.
Mal angenommen, der Energieverbrauch beträgt auch 2050 genau wie 2016 65.568GWh/a, denn würden mit 4.400GWh/a eigentlich nur 6.7% des Gesamtenergiebedarfs gedeckt.
Um auf 25% zu kommen, müsste man dann schon 45% der Dächer mit Modulen zu pflastern, aber so viel Potenzial geben die Berliner Dächer wegen baulicher Beschaffenheit nicht her, also müsste gegebenenfalls auch Fassadenflächen bedecken.
Wenn selbst die Installation von PV-Anlagen auf allen Dächern nicht für die Deckung des Energiebedarfs reicht, zeigt es letztlich, wie energiehungrig unsere Gesellschaft geworden ist. -
Der zweite Kritikpunkt sind unzureichende öffentliche Daten. Hier gibt es noch eine Menge zu tun, und das wär ja was für die Bits hier. Zunächst gibt es gute Ansätze: Es gibt den Energieatlas Berlin (https://energieatlas.berlin.de/), da kann man sich die Dachfreiflächen für PV-Module anzeigen lassen. Dann gibt es auch Portal für die Solarwende: https://www.solarwende-berlin.de/startseite
Das Fraunhofer ISE hat für das Gutachten die Daten vom 3D-Stadtmodell mit den des Amtlichen Liegenschaftskataster-Informationssystem (ALKIS) verknüpft (über den Namen des sag ich jetzt mal nichts :D).
Wie das genau passiert ist (abgesehen von ein paar Beschreibungen), mit welchem Modell Dachflächen berechnet wurden und die resultierenden verknüpften Daten, ist nicht öffentlich zugänglich, zumindest habe ich nichts gefunden.
Die Daten des 3D-Stadtmodells kann man sich auch herunterladen: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/stadtmodelle/de/digitale_innenstadt/3d/download/index.shtml
allerdings nur im DWG-Format und das kann man nur mit proprietärer Software von Autodesk öffnen. STL, OBJ oder PLY wären natürlich besser.
Die ALKIS-Dateien sind nur teilweise öffentlich zugänglich:
http://www.stadtentwicklung.berlin.de/geoinformation/liegenschaftskataster/alkis.shtml
Das liegt auch daran, dass da personenbezogene Daten mit dranhängen.
Für wünschenswert halte ich Plattform, auf der 3D-Stadtmodell a la Google Maps 3D zu sehen ist und in der Datenbank sind nicht nur die Solarfreiflächen erfasst, sondern auch Stand der Gebäudedämmung, Dachbegrünung und Potential für Urban-Farming, Gründach-Retentionsflächen, Dachterrassen, Denkmalschutz etc etc. Außerdem steht in dem Gutachten, dass in dem 3D-Modell die Verschattung durch Bäume nicht berücksicht sind. Das sollte ein 3D-Modell aber auch leisten können.
Die Daten sollten öffentlich zugänglich sein und jeder, der sich ein PV-Modul installieren oder sein Dach begrünen will, kann sich da das Einspar-Potenziale, Fördermöglichkeiten etc per Mausklick anzeigen lassen.
Das wäre dann Dataporn erster Güte! -
Die Recyclebarkeit- oder Aufbau von Recyclinganlagen für Solarmodule wird mit keinem Wort erwähnt. Auch wo wie Module produziert werden wie viel Energie dabei verbraucht wird. Und über Amortisierung hab ich nur am Rande gelesen.
Wenn jemand zu dem Thema noch mehr Input, gerne her damit.