2022 -06- 22/24 "Tagung des DGS-Arbeitskreises „Soziologie der Nachhaltigkeit“

KANN EINE DIGITALE GESELLSCHAFT NACHHALTIG SEIN?
SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVEN AUF DIE WECHSELWIRKUNGEN VON GESELLSCHAFTLICHER TRANSFORMATION, TECHNIK UND NATUR

  1. und 24. Juni 2022, Universität Passau

Tagung des DGS-Arbeitskreises „Soziologie der Nachhaltigkeit“
Gemeinsam mit den Sektionen Arbeits- und Industriesoziologie, Organisationssoziologie, Religionssoziologie, Umwelt- und Nachhaltigkeitssoziologie, Wirtschaftssoziologie sowie Wissenschafts- und Technikforschung.

Dr. Thomas Barth, thomas.barth@lmu.de, Prof. Dr. Anna Henkel, anna.henkel@uni-passau.de,
Prof. Dr. Jens Köhrsen, jens.koehrsen@unibas.ch, Dr. Björn Wendt, bjoern.wendt@uni-muenster.de

MITTWOCH, 22. JUNI 2022
Informelles Get-together
19:00 gemeinsames Abendessen (voraussichtlich im Gasthaus zum Goldenen Schiff)

DONNERSTAG, 23. JUNI 2022
08:30 Ankommen und Kaffee trinken
09:00 Begrüßung und Einführung in die Veranstaltung
Arbeitskreis SONA und die Sektionen stellen sich vor
Zum Thema: Kann eine digitale Gesellschaft nachhaltig sein?
10:30 Pause

11:00 BLOCK 1: KOMPLEXE NETZE
Vortrag und Rückfragen je ca. 30 Minuten sowie übergreifende Diskussion
On-demand-Management komplexer Systeme. Wie nachhaltige Transformation mit-
hilfe digitaler Technik gelingen kann – Johannes Weyer, Marlon Philipp, Fabian Adelt,
Sebastian Hoffmann, Julius Konrad, Kay Cepera
Heterogeneous cooperation in smart grid projects: Bridging institutional logics via
digital standards? – Sabrina Paustian, Ricarda Schmidt-Scheele, Jannika Mattes
Digitalisierung und Nachhaltigkeit der Energiewirtschaft – Jana Albrecht, Cristina
Besio, Timo Hoffmann, Margrit Seckelmann, Anna Skripchenko, Arnold Windeler
13:00 Mittagspause

14:30 BLOCK 2: DYNAMIKEN UND SPANNUNGEN
Vortrag und Rückfragen je ca. 30 Minuten sowie übergreifende Diskussion
Technik, Mensch, Gesellschaft, Umwelt – Der Arbeitsmarkt der Zukunft im Span-
nungsfeld von Technik, Ökologie und sozialer Ungleichheit – Michael Tiemann, Myriam Baum

Die Subjektkulturen der „Tech Workers“: Arbeitsethos und ökologische Imaginati-
onen der Digitalen Professionals – Robert Dorschel
Arbeiten in öko- und bio-technischen Nischen: arbeitsgesellschaftliche Dynamiken
und Konflikte in ökologischer Landwirtschaft, Biochemie und Biopharmazie – Yan-
nick Kalff, Agnes Fessler, Hendrik Brunsen

16:30 Pause
17:00 BLOCK 3: INFORMATION, MATERIALITÄT UND TRANSPARENZ

Vortrag und Rückfragen je ca. 30 Minuten sowie übergreifende Diskussion
Digitale Medien und Nachhaltigkeit aus praxistheoretischer Perspektive – Sigrid
Kannengießer

Wenn Smartphones sich ausweisen müssen – der digitale Produktpass als Teil einer
nachhaltigen materiellen Kultur? – Melanie Jaeger-Erben, Erik Poppe, Eduard Wagner
Transparente Trucks und Traktoren: Digitales Sichtbarmachen als Voraussetzung
nachhaltiger Entwicklung? – Raphaela Casata, Anna Henkel, Laura Scheler

19:00 Übergreifende Gesamtdiskussion: Kann eine digitale Gesellschaft nachhaltig sein?
Ab 19:30 Uhr social evening (gemeinsames Abendessen vermutlich im Restaurant Innsteg)

FREITAG, 24. JUNI 2022
09:00 Mitgliederversammlung SONA
Bericht des Sprecher*innenkreises, Aufnahme neuer Mitglieder, Zusammenarbeit mit den
Sektionen
10:00 Pause

10:30 BLOCK 4: AMBIVALENZEN, GRENZEN UND ALTERNATIVEN
Vortrag und Rückfragen je ca. 30 Minuten sowie übergreifende Diskussion
Ausbeuten vs. Bewahren: Eine konventionentheoretische Reflexion zu Nachhaltig-
keit und der Gemeinwohlorientierung digitaler Transformation in Unternehmen –
Karolin Eva Kappler

Kunstvolle Nachhaltigkeit. Ein Begriff für die Organisationstheorie? – Ronald Staples
Die Grenzen nachhaltiger Digitalisierungsdiskurse. Auf den Spuren der Kritik – Sa-
rah Lenz, Thomas Pfister, Björn Wendt
12:30 Abschlussdiskussion
Ende gegen 13:30

Wir bitten um Anmeldung zur Teilnahme an der Veranstaltung bis zum 15. Juni 2022 per email
an Jennifer Pawlica (jennifer.pawlica@uni-passau.de).

Das Ziel des Arbeitskreises Soziologie der Nachhaltigkeit (SONA) ist es, Beiträge zur disziplinä-
ren Selbstverständigung, Vernetzung und Institutionalisierung der Nachhaltigkeitssoziologie zu
leisten. Die Zusammenarbeit zeichnet sich dadurch aus, dass konkrete Themen einer nachhaltigen
Gesellschaftsentwicklung mit einer spezifisch soziologischen Blickrichtung verbunden werden.
Der Arbeitskreis ist innerhalb der DGS sektionsübergreifend angebunden an die Sektionen Ar-
beits- und Industriesoziologie, Organisationssoziologie, Religionssoziologie, Umweltsoziologie,
Wirtschaftssoziologie sowie Wissenschafts- und Technikforschung. Der Fokus liegt entsprechend
dem Querschnittsthema Nachhaltigkeit darauf, die verschiedenen Nachhaltigkeitsbezüge der Sek-
tionen miteinander ins Gespräch zu bringen. Das Anliegen der Tagung „Kann eine digitale Ge-
sellschaft nachhaltig sein?“ besteht folglich darin, mit einem konkreten Gegenstandsbezug, der
sich durch besondere Aktualität und Mehrdimensionalität auszeichnet, die Potenziale der sekti-
onsübergreifenden Kooperation im Arbeitskreis auszuloten.

Nachhaltigkeit ist seit einem knappen halben Jahrhundert eine gesellschaftlich relevante Heraus-
forderung weltgesellschaftlicher Transformation – ein sogenannter Megatrend. Zivilgesellschaft-
liche, wissenschaftliche, wirtschaftliche und politische Akteursgruppen thematisieren im Rahmen
des Nachhaltigkeitsdiskurses auf der einen Seite die Ursachen, Zusammenhänge und Folgen von
ökologischen und sozialen Krisenphänomenen. Auf der anderen Seite sind zugleich die positiven
Visionen einer umweltverträglichen und sozial-gerechten Gesellschaftsordnung Bestandteil von
Nachhaltigkeitskonzepten, die sich in globalen, nationalen und lokalen Umsetzungsprogrammen
und Handlungsempfehlungen für nahezu alle Lebensbereiche materialisieren: Mobilität, Arbeit,
Wohnen, Technik, Industrie, Wissenschaft, Politik, Konsum oder sogar Religion – es ließe sich
kaum ein Bereich ausmachen, der nicht nachhaltig werden soll. Und in der Tat verbinden sich die
normativen Ansprüche auf vielfältige Weise mit der sozialen Praxis, indem sie diese transformie-
ren – mitunter aber auch in ihrer nicht-nachhaltigen Form stabilisieren. Die Veralltäglichung von
Nachhaltigkeit führt bisher nicht zu einer erfolgreichen Bearbeitung ihrer ökologischen und sozi-
alen Bezugsprobleme, sondern verweist vielmehr auf die Persistenz der Problemlage.
Wie sich ein anderer Megatrend, die digitale Transformation, mit den Nachhaltigkeitsanforderun-
gen vereinbaren lässt – ob Digitalisierung gar ein „Game-Changer“ für eine nachhaltige Entwick-
lung sein kann – ist in vielen Belangen noch offen. Mit der Verbreitung digitaler Informations-
und Kommunikationstechnologien in Lebenswelt und Wirtschaft, hat sich die Art und Weise
grundlegend verändert, in der kommuniziert, informiert, produziert, konsumiert, politisiert und
geforscht wird. Mit Digitalisierung werden einerseits klassische Fortschrittsvorstellungen verbun-
den: Die Verbesserung menschlichen Lebens und Zusammenlebens, wirtschaftliche Prosperität
und Effizienz, Teilhabe und sozialer Aufstieg. Andererseits gilt Digitalisierung als Chiffre für
eine perfektionierte Überwachung, algorithmusgesteuerte Unübersichtlichkeit, mächtige Mono-
polstellungen im digitalen Kapitalismus sowie „Shitstorms“, „Hate-Speech“ und neue soziale Po-
larisierungen.

Seit relativ kurzer Zeit werden Digitalisierung und Nachhaltigkeit diskursiv und praktisch sowie
als soziologische Beobachtungsgegenstände miteinander verbunden. Digitalisierung erscheint als
Möglichkeit, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, indem sie einen schonenderen Umgang mit na-
türlichen Ressourcen durch Effizienzgewinne und neue Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten
eröffnet (z.B. Smart Sustainability). Allerdings wird auch auf die sozial und ökologisch proble-
matischen Wirkungen von Digitalisierungsprozessen verwiesen – ihre Ressourcenintensität, mög-
liche Rebound-Effekte und neue soziale Spaltungen. Nachhaltigkeit und Digitalisierung berühren
als Transformationsdynamiken die Machtverhältnisse, die Materialitätsverhältnisse und die
Selbstverhältnisse des Sozialen – jedoch teils unterschiedlich oder gar in widersprüchlicher Weise.
Das Anliegen der Tagung besteht darin, die komplexen und facettenreichen Beziehungen von
Nachhaltigkeit und Digitalisierung als Forschungsgegenstand deutlicher zu konturieren und in
den Blickpunkt soziologischer Reflexionen zu rücken, indem eine Vielfalt theoretisch-
konzeptueller und empirischer Forschungszugänge miteinander ins Gespräch gebracht wird. In
dem so eröffneten Feld sollen Verbindungslinien zwischen und Herausforderungen für die betei-
ligten „Bindestrichsoziologien“ sowie Forschungs- und Handlungsdesiderata aufgezeigt werden.
Im Mittelpunkt dieser Tagung sollen Phänomene stehen, in denen Nachhaltigkeit und Digitalisie-
rung diskursiv und praktisch aufeinander bezogen sind, entweder im Sinne einer postulierten Sy-
nergie oder als postulierter Gegensatz. Es handelt sich um einen offenen Call, der zu Beiträgen zu
diesem Spektrum einlädt und nicht nur auf die genannten Sektionen der Deutschen Gesellschaft
für Soziologie beschränkt ist.

Die Sektion Arbeits- und Industriesoziologie ruft zu Beiträgen auf, die sich dem Janusgesicht der
Digitalisierung im Bezug auf Nachhaltigkeit in der Arbeitswelt widmen: Sie könnte z.B. syste-
matisch für Ressourceneffizienz oder für eine dezentrale Produktion „on demand“ genutzt werden
– ist selbst aber Ressourcenfresser und befördert oft einseitig auf Wachstum fokussierte Ge-
schäftsmodelle. Digitalisierung und Nachhaltigkeit können in der Arbeitswelt Verbündete sein,
geraten jedoch oft in Widerspruch – Widersprüche, die zudem oftmals negative Effekte für soziale
Nachhaltigkeit haben und daher auf der Ebene von Arbeitsprozessen, Beschäftigung, Qualifizie-
rung und Mitbestimmung kleingearbeitet werden müssen. Die Sektion freut sich daher über Bei-
träge, die betriebliche Effekte und den Umgang der betrieblichen Akteure mit diesen Widersprü-
chen in den Blick nehmen.

Die Sektion Organisationssoziologie bringt zwei Perspektiven auf das Verhältnis von Organisa-
tion, Digitalisierung und Nachhaltigkeit ein. Einerseits interessiert sie sich für die Frage, wie ver-
schiedene Organisationen (Unternehmen, Behörden, NPOs usw.) und organisationale Felder mit
den beiden gesellschaftlichen Herausforderungen der Nachhaltigkeit und der Digitalisierung zu-
gleich umgehen. Nehmen sie diese als widersprüchlich wahr und reagieren mit Konflikten und
Machtkämpfen? Sehen sie darin neue Chancen und einen Anlass für Innovation? Oder verwenden
sie sie etwa nur, um etablierte Handlungsmuster neu zu legitimieren? Andererseits geht die Sek-
tion der Frage nach, inwiefern Organisationen imstande sind, die Bedeutung des Verhältnisses
zwischen Nachhaltigkeit und Digitalisierung und die Formen seiner konkreten Umsetzung mit zu
gestalten. Zu erforschen ist dabei, welche Organisationen (systemrelevante politische, ressour-
cenreiche ökonomische Organisationen oder vielmehr NGOs mit hoher symbolischer Macht?) mit
welchen Mitteln (etwa durch Lobbyarbeit oder durch die schnelle Entwicklung innovativer Lö-
sungen?) Einfluss ausüben können und gesellschaftliche Wirkung in beiden Transformationspro-
zessen erzielen können.

Die Sektion Religionssoziologie bringt eine in diesem Feld neuartige Fragestellung ein: Während
die religionssoziologische Forschung sich den Themen „Religion und Nachhaltigkeit“ sowie „Re-
ligion und Digitalisierung“ intensiv zugewandt hat, liegen kaum Studien vor, die das Verhältnis
von Nachhaltigkeit und Digitalisierung ausleuchten. Denkbar wäre etwa, die zunehmende digitale
Präsenz (z.B. Twitter, Facebook) religiöser Dach- und Interessenverbände mit Blick auf klimapo-
litischen Diskurse und Mobilisierungstechniken zu untersuchen. Ebenfalls könnte vergleichend
analysiert werden, wie religiöse Organisationen mit den beiden gesellschaftlichen Transforma-
tionsherausforderungen – Digitalisierung und nachhaltige Entwicklung – umgehen und was für
innerreligiöse Innovationsprozesse sich hieraus ergeben. Für diese Tagung freuen wir uns aber
auch über religionssoziologische Beiträge, die sich zunächst nur auf eines der beiden Themen
beziehen (Digitalisierung oder Nachhaltigkeit). Zudem wären Zusammenhänge von Religiosität,
religiösem Sozialkapital sowie Einstellungen und Verhalten im Kontext von Nachhaltigkeit und
Digitalisierung interessant.

Aus Perspektive der Sektion Umwelt- und Nachhaltigkeitssoziologie wird insbesondere gefragt:
Ändern Digitalisierungsprozesse die Naturverhältnisse? Handelt es sich um eine Kontinuität zu-
nehmender technologischer Gestaltung der sozial-ökologischen ‚Vernetzungen‘ oder gehen damit
qualitative Veränderungen einher? Welche Rolle spielt die Digitalisierung von Produktions- und

Konsumsystemen (Online-Handel, digitales Marketing, Filterblasen, digitale Konsumgemein-
schaften) für die Konsumgesellschaft und ihre sozial-ökologischen Implikationen? Aufgrund wel-
cher gesellschaftlichen und politischen Gestaltungsansätze wird der digitale Wandel mit Nach-
haltigkeitszielen verknüpft? Welche Gestaltungsoptionen werden aus welchen Gründen nicht be-
rücksichtigt? Welche Versprechen inter- und intragenerationeller Gerechtigkeit werden im Nach-
haltigkeitsdiskurs an die Digitalisierung geknüpft?

Aus Perspektive der Wirtschaftssoziologie wird insbesondere gefragt: Wie werden der digital-
technologische Fortschritt und die Forderung nach Nachhaltigkeit in unterschiedlichen Wirt-
schaftsbereichen miteinander verbunden? Wie wirkt sich dies auf etablierte Koordinations- und
Organisationsformen, Qualitätszuschreibungen, die Konfiguration von Märkten und wirtschafts-
politische Positionierungen aus? Wie wird Nachhaltigkeit im Kontext der Digitalisierung rele-
vant, unter welchen Bedingungen ermöglicht bzw. begrenzt Digitalisierung die Umsetzung von
Nachhaltigkeitszielen? Im Vordergrund sollen dabei die normativen Orientierungen wirtschaftli-
cher Akteure, die einschlägigen Narrative und Imaginationen von Wettbewerb und Wert sowie
deren Manifestationen in wirtschaftlichen Praktiken und Wirtschaftspolitiken stehen.
Die Sektion Wissenschafts- und Technikforschung ruft insbesondere zu Beitragsvorschlägen auf,
die ökologische und soziale Nachhaltigkeit als Thema der soziologischen und interdisziplinären
Forschung (z.B. in den Science and Technology Studies, in der Technikfolgenabschätzung) zu
Informatisierungs- und Digitalisierungsprozessen, als Ziel forschungspolitischer Programme (z.B.
Responsible Research and Innovation) oder als gesellschaftlichen Transformationsprozess (z.B.
Sustainability Transitions) in den Blick nehmen. Von Interesse sind dabei nicht nur die wechseln-
den Orientierungen entsprechender Forschungsstränge, sondern auch die daraus resultierenden
Wissensvorräte zu den Ambivalenzen wissenschaftlicher und technischer Innovationen für Ge-
sellschaft und Natur, die in Triangulation mit den Einsichten anderer beteiligter Disziplinen auf
die Leitfrage der Tagung bezogen werden sollen.

Die daraus entwickelte Veranstaltung nimmt die Beiträge als Ausgangspunkt für eine übergrei-
fende Diskussion der Thematik. Eine Publikation der Tagungsergebnisse ist geplant.


PS: Das war nur copy paste aus einer Email und einem Dokument von mir, ich bin unschuldig bei der Formatierung. :innocent:
Lg
patty